Saulgauer Fasnet, Donnerstag: Sauschwanzessen und Setzen der Riedhutzel

Saulgau, eine weitere Hochburg der Schwäbisch-Alemannischen Fasnet, ist unser nächstes Ziel. Bei einer Stippvisite beim Maskenschnitzer Günther Wetzel werden die lokalen „Häs“ erklärt. Wir nehmen am traditionellen Sauschwänzleessen teil, begleiten das Setzen der „Riedhutzel“ und ziehen des Nachts durch die Lokale.

Der „Dorausschreier“
Unser Besuch in Bad Saulgau beginnt mit einem Treffen eines Vertreters der lokalen Fasnetszunft Dorauszunft Saulgau e.V.. Der Zunftmeister erklärt werden uns Geschichte der Stadt Saulgau in Bezug auf die Fasnet: Saulgau, im Mittelalter noch Sulgen genannt, war im 14. Jahrhundert von einer Stadtmauer umgeben. In die Sadtmauer waren 4 Tortürme eingebaut, 3 Tore waren in Notzeiten verschlossen und die Bürger wurden nur durch das Westtor, Richtung Fulgenstadt, ein- und ausgelassen. An der Straße Richtung Fulgenstadt stand, nach Überlieferungen, eine große, alte Linde. Wohl deshalb wurde ein im Fachwerkstil erbautes Wirtshaus, das unmittelbar neben dem Westtor stand, „Alte Linde“ genannt. Wenn man die Stadt verließ, ging man „bei d’r alte Linde naus“.

Man schrieb das Jahr 1355, als der heutige „Dorausbrauch“ zum ersten Mal in der Chronik der Stadt erwähnt wurde. Der Grund dafür war die Beulen-Pest, auch der „schwarze Tod“ genannt. Keiner war gegen diese „Geißel der Menschheit“ gefeit, wer sie hatte, war todgeweiht. Die Epidemie raffte ganze Dörfer dahin und war für über die Hälfte der Bevölkerung tödlich. Auch Saulgau und ganz Oberschwaben wurden nicht verschont. Da zur Krankheit auch noch die Hungersnot kam, gingen angesehene Bürger der Stadt durch die Gassen und in die Nachbardörfer, um für Bedürftige und Kranke Brot und Lebensmittel zu erbetteln. Um nicht erkannt zu werden, gingen sie mit Sackleinen vermummt und ließen sich, da sie eine Ansteckung vermeiden wollten, die Gaben in „Körben an langen Stangen“ reichen. Aus diesem todernsten Brauch, der im Jahr 1355 erstmals erwähnt wurde, entstand die Figur des „Dorausschreiers“.

Narrenruf:

„Doraus, detnaus, bei d’r alte Linde naus“

Fasnetsmasken aus Bad Saulgau:  Dorausschreier, Zennenmacher

Fasnetsmasken aus Bad Saulgau: Dorausschreier, Zennenmacher

Besuch beim Maskenschnitzer Günther Wetzel
Günther Wetzel, seit 40 Jahren Maskenschnitzer, Ehrenzunftrat der Dorauszunft, informiert über seine Verbundenheit mit dieser Handwerkertradition. Anschaulich zeigt er in seiner Werkstatt, wie aus Lindenholz in etwa elfstündiger Arbeit eine komplett handgefertigte Maske entsteht, die exakt an die Kopfform des Trägers angepasst ist. Anhand von Kleinpuppen erklärt er die verschiedenen Figuren, Masken und Häs der Dorauszunft Saulgau e.V.:

  • Der Dorausschreier ist eine der ältesten Figuren der schwäbisch-alemannischen Fasnet und die Namensfigur der Saulgauer Dorauszunft, die eine der zahlenmäßig größten des schwäbischen Raumes ist.
  • Die Saulgauer Riedhutzel ist eine besondere Ausprägung der in Oberschwaben weit verbreiteten Fasnachtshexen. Sie bildet die größte Narrengruppe.
  • Der Pelzteufel. In den Jahren 1951-1958 hatte der gebürtige Saulgauer Kürschnermeister Karl Teufel als erster das Amt des Zunftmeisters der Dorauszunft, wie sie seither heißt. Nicht nur sein Familienname, sondern auch sein Beruf und seine künstlerische Begabung verpflichteten ihn zur Schaffung einer neuen Narrenfigur, nämlich die des „Pelzteufels“.
  • Das Blumennärrle sollte zunächst den kleinen Mädchen, später auch erwachsenen Frauen als Zunfthäs dienen. Grundgedanke dieser ausgesprochenen Frühlingsfigur war, das Wiedererwachen des Frühlings in Form und Ausdruck der Maske und des Häses darzustellen.
  • Das Spitzmäule ist ursprünglich eine künstlerische Schöpfung des Bildhauers Alfons Scheck, der aber eine Jungnärrin im Gegensatz zur alten, verdorrten Riedhutzel schaffen wollte.
  • Der Zennenmacher ist eine ebenfalls in der Nachkriegszeit entstandene Holzmaske, die von Alfons Scheck erstmals geschnitzt worden ist, aber einen historischen Ursprung hat, ist der „Zennenmacher“. Zennen machen bedeutet im schwäbisch-alemannischen Sprachgebrauch soviel wie lustige Grimassen schneiden und das Gesicht zur Fratze verziehen.

Weitere Details und Infos zu den Arbeiten Wetzels unter (www.wetzel-masken.de)

Maskenschnitzer Günther Wetzel

Maskenschnitzer Günther Wetzel

Nach Schülerbefreiung und Rathaussturm treffen sich alle aktiven Narren beim Bahnhof, mit Ausnahme der Riedhutzeln. Im gemeinsamen Fackelzug geht es über die Hauptstraße zum Marktplatz, wo der Zug schon von der Bevölkerung erwartet wird. Nach der Ansprache des Zunftmeisters übernimmt der Oberbüttel für eine begrenzte Zeit von sechs Tagen die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters. Danach ruft die versammelte Bevölkerung ihr ungeduldiges „Hexa raus, Hexa raus …“, bis die Oberhexe, die Kronriedhutzel, das Podium betritt und nach und nach ihre vier Eckhexen samt ihrem Hexengefolge um das Podium in drei Ebenen versammelt. Farbenfroh inszeniert und mit viel Schwarzpulver erhellt, wird die Marktplatz-Riedhutzel jetzt „gesetzt“ (sie wird an einer Stange hochgezogen und über dem Hexenpodium schwebend fixiert).

Setzen der Riedhutzel, Bad Saulgau

Setzen der Riedhutzel, Bad Saulgau

Traditionelles Sauschwänzle-Essen in Bad Saulgau
Jetzt nach dem Setzen der Riedhutzel ist es Zeit, sich in die eingesessenen Saulgauer Lokale zu verziehen, wenn man das ebenfalls traditionsreiche „Sauschwänzle-Essen“ mitmachen will. Die Sauschwänze kommen in großen Platten auf den Tisch, dazu gibt es Sauerkraut und Senf. Erzählt wird, dass im Gasthaus „Mohren“ vor etwa 50 Jahren die närrische Idee aufkam, Sauschwänze zu essen. „Wenn dia (zum Gompigen Donnschtig die geladenen Gäste im Hotel Kleber-Post, damals das erste Haus am Platze) d’r Kopf hont“, lautete der gewitzte Vorschlag am Stammtisch, „dann essat mir d’r Schwanz“. Kurios, dass wir heute Abend im Restaurant des Hotel Kleber-Post sitzen und Sauschwänzle essen. So ändern sich die Zeiten, so greifen Traditionen um sich.

Gekochte Sauschwänzle. Traditionelles Saulgauer Fasnetsessen

Gekochte Sauschwänzle. Traditionelles Saulgauer Fasnetsessen

Danach ziehen sich viele Vollblutnarren zum Schminken und Umziehen zurück, um dann das allseits bekannte „Strählen und Schnorren“ zu veranstalten. In Fantasiekostümen, die oft sehr teuer sind, werden politische Themen oder Ungereimt-heiten des Stadtgeschehens schonungslos vorgetragen. Man zieht mit Musikgruppen von Lokal zu Lokal, um auf originelle Weise zu protestieren und auch hier und da ein Freibier oder einen „Kurzen“ zu genießen. Spät in der Nacht, oft erst in den Morgenstunden, kommen die Narren dann zu einer Mütze voll Schlaf, wenn überhaupt.

Ende der Fasnet in Saulgau
Am Fasnetsdienstag, früh morgens um sechs Uhr, fängt der Finaltag der Saulgauer Fasnet mit dem Wecken durch die Narren an. Mit ohrenbetäubendem Lärm ziehen diese durch die Straßen der Stadt, um die Bevölkerung auf die Hochfasnet aufmerksam zu machen. Gegen 10.30 Uhr beginnt der große, bunte Narrensprung, zu dem befreundete Zünfte aus der näheren und weiteren Umgebung Bad Saulgaus eingeladen sind.

Abends ab 19.00 Uhr treffen sich alle Narren am Bahnhof zu ihrem traurigsten Gang. Mit einem Fackelzug, bei dem alle teilnehmenden Musikkörper den Narrenmarsch langsam und in Moll spielen, wird die Riedhutzel in einem Käfigwagen durch die Büttelgruppe zum Marktplatz begleitet. Dort angekommen wird sie unter starker Gegenwehr ihrem Ende, dem „Fasnetsverbrennen“ zugeführt. Dabei wird eine Strohhexe unter dem Gejammer und Wehklagen aller Narren verbrannt.

Jetzt tritt der Bürgermeister wieder auf den Plan. Er verlangt die Narrenschelle, das Symbol für die Narrenfreiheit, zurück und bekommt diese bereitwillig von dem jetzt seinerseits kleinlauten Oberbüttel. Auf dem Podium warten schon Mengener Narren, welche die Narrenschelle, zur Aufbewahrung, wieder mit nach Mengen nehmen, damit der Tradition des Schellenabholens Genüge getan ist. Nach einer kurzen Ansprache entlässt der Zunftmeister die versammelten Narren mit den tröstenden Worten: „Send itt traurig, die Fasnet isch itt aus, mir machet bloß a längere Paus’,’s goht scho wieder da’gega!“ in die Wirtshäuser, um dort den „Kehraus“ zu feiern und spätestens um „Zwölfe“, ruhig und ohne großes Aufsehen, den Heimweg anzutreten. Aber daran will heute noch niemand denken.

Übernachtungstipp zentral:
Hotel Kleber Post****
Poststr. 1
88438 Bad Saulgau
Tel. 07581 5010
hotel@kleberpost.de
www.kleberpost.de

Mehr Infos über Bad Saulgau:
Tourist-Information Bad Saulgau, Lindenstraße 7, 88348 Bad Saulgau – E-Mail: willkommen@t-b-g.de – Tel. +49 (0)7581 2009-0
www.t-b-g.de

Quellen: Tourist-Information Bad Saulgau, Dorauszunft (www.dorauszunft.de)

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